The Finite
Kapitel 1 - Fehlschlag
Auf einem Hügel voll blühender Wildblumen standen sich zwei anscheinend fünfzehn Jahre alte Jungen gegenüber. Sie hatten ungefähr die selbe Größe, aber einer erschien dünn und zerbrechlich mit blasser Haut, während der andere eine solide Statur und dunkelrote Haut hatte. Auf den ersten Blick konnte man vier Hörner aus seinem braunen Haar schauen sehen und es war an seiner dunkelroten Haut ersichtlich, dass er nicht menschlich war.
„Visnu. Ist das dein Ernst?“
Der Junge mit den Hörnern sprach zuerst. Dritte Parteien, die nichts über sie wussten, hätten seinen „Ich bin nicht in der Stimmung“-Tonfall an seiner gleichgültigen Stimme bemerkt. Trotz dessen lächelte der Junge genannt „Visnu“ lediglich. Ein junges Mädchen umarmte ihn, wegen der blutrünstigen Atmosphäre den Tränen nahe.
„Ich bin den ganzen Weg von der Surawelt gekommen für das? Um ein Kind zu sehen?“
Bei jedem Wort, das der Junge sprach, bebten die Wildblumen. Einige von ihnen wehten im Wind davon. Schließlich knurrte er und entblößte seine scharfen Zähne.
„Bitte sprich etwas sanfter zu mir, Tak. Kalavinka hat Angst.“
Der Junge genannt „Tak“ wollte noch mehr sagen, aber als sich sein Gesicht verzog, brach das Mädchen „Kalavinka“ in Tränen aus, was ihn dazu veranlasste, sich zu entspannen. Obwohl er noch immer weit weg von sanftmütig sein war, senkte Tak seine Stimme, als er fortfuhr.
„Natürlich hat sie Angst vor mir.“
„Ja. Es ist in Ordnung solange ihr miteinander auskommt. Es wäre besser wenn du gar keine Gefühle hättest, aber Probleme macht, dass du von allen nur noch Zorn übrig hast. Weißt du, dass sich ständig bei mir beschwert wird? Warum sollten sie mich fragen..."
„Wer beschwert sich?“
„Wie auch immer, komm, Tak. Ich habe etwas geschaffen.“
Während Visnu das sagte, wandte er sich und zog etwas aus seinem Gürtel. Auf seiner blassen rechten Hand lag ein paar roter, runder Ohrringe. Sie schienen nichts wirklich besonderes zu sein, sie sahen aus wie billige Accessoires.
„Diesmal sind es Ohrringe? Wem wirst du diesmal geben, was du geschaffen hast?“
„Dir.“
Nachdem er das gesagt hatte, verstummte Tak und starrte Visnu an. Visnu lächelte nur, als Tak die Ohrringe aus seiner Hand nahm. Tak schien sich nicht sicher, ob ihm Visnus Geschenk gefiel, und fragte Visnu, die kleinen Ohrringe in seiner Hand haltend:
„Sie machen nicht viel her, soll ich sie als Schmuck tragen?“
„Kein einfacher Schmuck, Tak. Wenn du sie trägst, kannst du deine Natur vollständig verbergen und dich als Mensch tarnen.“
„Wirklich? Also kann ich mit ihnen auch in die Städte der Menschen gelangen?“
„Nein. Die Stadtbarrieren wurden von Brahma geschaffen, also kannst du nicht nur mit diesen durch sie hindurch.“
„Dann sind sie Müll.“
Obwohl er sie als Müll bezeichnete, dachte er nicht daran, sie an Visnu zurückzugeben, sondern steckte sie in seine Hosentasche. Visnu grinste breit über diesen Anblick, während Tak der ihn umarmenden Kalavinka einen finsteren Blick zuwarf. Tak starrte Visnu lediglich mit seinen schläfrigen Augen an, dann wandte er sich zum Gehen.
„Wohin gehst du?“
„Überall ist es besser als hier. Zumindest werde ich den Planeten nicht verlassen, also ruf nach mir, wenn du mich brauchst.“
„In Ordnung. Achja, Tak. Das schließt die nicht-fühlende Natur des Drachen-Klans mit ein!“
„Du meinst, dass diese Ohrringe auch meine Persönlichkeit verändern?“
„Unser Tak ist smart!“
Bei dieser mit Spott versehenen Aussage drehte sich Tak wieder herum und ging auf Visnu zu, aber da hatte dieser sich bereits plötzlich auf die Kuppe eines entfernten Hügels versetzt.
„Ich habe dir schon oft gesagt, dass du Zeit-Manipulation nicht benutzen sollst. Du strengst dich unnütz an.“
„Nur so viel ist okay! Wenn du erfahren willst, wie es ist, reiche Emotionen zu haben, leg einfach mal die Ohrringe an!“
Nachdem Visnu Tak überschwänglich gewunken und zugerufen hatte, verschwand er eiligen Schrittes über den Hügel. Tak stand reglos, bis Visnu vollständig außer Sicht war, dann holte er die Ohrringe noch einmal hervor, um sie anzusehen, bevor er sich umdrehte und sie wieder wegsteckte.
„Gefühle sind lästig. Benutzen werde ich diese Dinger bestimmt nicht.“
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The Finite – Kapitel 1: Fehlschlag
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Jahr D873, 6. Monat
In der Stadt des Wassers Mistyshore war der Regen zu Beginn der Regenzeit so unablässig, dass die Sonne fast nie zu sehen war. Trotz des anhaltenden Regens schwand die tödliche Hitze nicht, und die Kombination aus Hitze und Feuchtigkeit ließ das Wetter an eine Sauna erinnern. Die Menschen die versuchten, diese unangenehme Situation zu vermeiden, saßen in den Gebäuden fest. Sporadisch erledigten in Regenmäntel gekleidete Leute schnellen Schrittes Botengänge, aber ansonsten waren die Straßen leer.
In einer abgelegenen Seitenstraße ging ein Mädchen schlurfend in der Straßenmitte. Sie trug einen orangen Regenmantel, kümmerte sich aber nicht darum, dass ihre Kapuze zurückgeschoben war, da ihre Kleidung darunter bereits durchweicht war. Das ließ einen wundern, wozu der Regenmantel überhaupt gut war. Regen rann ihr verworrenes Haar hinab auf ihre Schultern. Ihr Haar war von so blass rosaner Farbe, dass man es für weiß halten konnte.
„Haa. Wieder durchgefallen.“
Seufzend sah das Mädchen auf und blickte in den Himmel. Ihr kindliches Gesicht schien etwa vierzehn oder fünfzehn Jahre alt, aber in dieser Welt sollte man bezüglich des Alters nicht allein anhand von Aussehen voreilige Schlüsse ziehen.
Regentropfen fielen auf ihre limonenfarbenen Augen zu und zerstreuten sich an ihren Augenlidern, als sie sie kurz schloss. In ihrer rechten Hand hielt sie ein zerknittertes Papier mit den Worten „Benachrichtigung über Resultate der Zulassungsprüfung“ sichtbar auf der herausragenden Ecke geschrieben.
„Das ist nicht fair. Warum wurde ich nur mit solchen Geburtstags-Attributen geboren? Ich will Magierin werden.“
Das Mädchen setzte ihr Gejammer fort, während sie die Straße hinunter auf einen Müllhaufen zuging. Sie schaute auf die Vorderseite des Papiers, das sie in der Hand hielt, runzelte die Stirn und riss es in Stücke.
„Ugh. Sollte ich aufgeben? Das ist nicht die einzige Akademie hier...“
Sie unterbrach ihren Monolog. Ein regennasses Stück Papier klebte an ihrer Hand. Als wollte es sie ihr deutlich aufzeigen, waren ihre Geburtstags-Attribute darauf geschrieben: Wind – Nil – Nil.
„...“
Für eine Weile verharrte das Mädchen mit gesenktem Kopf, dann riss sie das Papier mit ihrer anderen Hand von ihrer Handfläche. Und während sie es auf dem Müllhaufen entsorgte, murmelte sie mit leicht bebender Stimme.
„Aber ich muss eine Magierin werden. Nur dann...“
Sie schloss ihren Mund und schluckte. Es war schwer zu glauben, dass die Entschlossenheit in ihren kalten Augen die jemandes ihres Alters war.
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„Studentin Ian Rajof. Sie haben eine sehr hohe Göttliche Affinität, aber zwei Nil Attribute für den Monat und den Tag. Wussten Sie nicht, dass eine Person mit Nil Attributen eine sehr hohe Magie-Fehlschlagrate hat? Warum versuchen Sie, mit solchen Attributen auf einer Magie-Schule zugelassen zu werden?“
Während der Zulassungsprüfung zur Magie-Schule fragte dies der Interviewer ein Mädchen – Ian, das ihm gegenübersaß. Ian antwortete daraufhin ohne zu zögern.
„Ich muss eine Magierin werden, um stärker zu sein, stark genug, damit ich den Bösartigen Drachen bestrafen kann.“
Das „Drache“ am Ende verdutzte die Leute im Prüfungsraum. - Meint sie einen Drachen-Half? - Von einem besonders bösartigen Drachen-Half habe ich bisher noch nie gehört.
Während darüber im ganzen Raum hier und da gemurmelt wurde, fuhr der Interviewer mit ein wenig Sarkasmus fort.
„Sie haben große Träume. Natürlich gibt es Wege, einen Drachen-Half zu fangen, aber selbst wenn Sie es mit Ihren Attributen ihr Leben lang versuchen, gibt es keine wirkliche Chance...“
„Es ist kein Drachen-Half.“
Als Ian den Interviewer unterbrach, wurde es rundum still.
„Kein Drachen-Half? Du sprichst doch nicht etwa von einem Nastika?“
Fragte der Interviewer, sich mit einer „Was ist nur mit der los?“-Miene zu Ian vorbeugend. Nastika. Geboren mit dem Anbeginn des Universums, mit ewigen Leben wie die Götter. Ihre Kräfte waren viel stärker als die der Götter, und sie waren Monster groß jenseits jeglicher menschlicher Vorstellungskraft. Selbst berühmte Magier wagten nicht sich vorzustellen, es mit einem Nastika aufzunehmen. Ganz zu schweigen von einem Anfänger beim Eingangsexamen einer Magie-Schule.
Obwohl Ian realisierte, dass sie die Zulassungsprüfung nicht bestehen würde, wollte sie dennoch stolz ihre lange gehegten Ambitionen verkünden.
„Nastika ist richtig. Genauer gesagt ist mein Ziel, den Drachen der Zerstörung ( 滅龍) Taksaka zur Strecke zu bringen.“
Einen Moment herrschte Stille, doch dann brach Gelächter aus. - Hast du das gehört? Es ist Taksaka. - Ist sie verrückt? - Kindern fehlt das Konzept. Puhaha.
Unter all dem Gespött und Gelächter fühlte sich Ian, still auf ihrem Stuhl sitzend, nicht so gut. Der Interviewer, mit den anderen lachend, sprach schließlich zu der ernsten Ian.
„Studentin Ian Rajof. Ich werde Ihnen dies sagen. Taksaka ist bekannt als Top-Level Nastika, dessen Atem allein einen Stern auslöschen kann. Menschen wagen nicht einmal zu denken, sich jenen dieser Kategorie zu nähern. Selbst mit guten Attributen könnten Sie nicht einmal davon träumen, es mit Taksaka aufzunehmen. Das ist kein großer Traum, das ist einfach nur verrückt.“
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„...“
Ian erinnerte sich an die Worte des Interviewers, während sie den Müllhaufen hinter sich ließ und in die Straße die zum Meer führte einbog. Mit dem zunehmend stärker prasselnden Regen verfinsterte sich Ians Miene noch mehr.
„Wenn er so ein großartiger Typ ist, warum holt und frisst er dann Menschen?“
Regenwasser tropfte ihre Stirn hinab.
„Dann, wenn er es nur zum Spaß getan hat, ist er wirklich ein Bastard!“
An einem sonnigen Tag wäre dieser Ort mit Leuten überfüllt gewesen, aber nun, unter dem strömenden Regen, war Ian vollkommen allein. Egal was sie sagte, es war niemand da, um es zu hören. Selbst wenn sie so laut schreien würde wie sie konnte, würden die Fenster der nahen Gebäude fest verschlossen bleiben und sich nicht öffnen.
„Was du dir zum Spaß genommen hast, war alles für mich!“
Es war nicht mehr länger möglich, ihre Tränen vom Regen zu unterscheiden. Ian begann schlurfend, mehr mühsame Schritte die Straße entlang zu tun. Bastard. Bastard. Bastard. Sie wusste nicht, wie oft sie dieses Wort wiederholte. Der Gedanke an Rache hatte sie die ganze Zeit über irgendwie am Leben gehalten, würde sie jetzt aufgeben, könnte sie nicht länger leben. Aber sie konnte wegen ihrer Attribute nicht einmal die Zulassungsprüfung einer Magie-Schule bestehen, ganz zu schweigen davon, ihre Rache bekommen. Ian wandte sich um und schaute aufs Meer. In ihrem Geist überlagerten sich die Gesichter der Leute mit dem Regen. Sollte sie einfach hinein springen und sterben?
Es war dann. Als Ian mit leerem Blick auf das weite Meer starrte, sah sie etwas Merkwürdiges.
„Was...?“
Draußen auf dem Meer, offenbar nahe des Randes der die Stadt schützenden Barriere, befand sich etwas, das wie eine Person aussah. Wegen des strömenden Regens konnte sie es nicht klar sehen, aber es schien so, als würde er sich abmühen. Niemand würde bei diesem Wetter schwimmen gehen, also war er tatsächlich am Ertrinken? Als ihr diese Idee kam, stürzte sich Ian ohne weiteren Gedanken in die See.
Platsch!
Der Regenmantel behinderte sie beim Schwimmen, also riss Ian ihn sich vom Leib. Ohne Zeit rational zu denken, entgang ihr völlig, ob sie die Fähigkeit besaß, so weit aufs Meer zu schwimmen und jemanden zu retten.
Fortsetzung folgt...
„Visnu. Ist das dein Ernst?“
Der Junge mit den Hörnern sprach zuerst. Dritte Parteien, die nichts über sie wussten, hätten seinen „Ich bin nicht in der Stimmung“-Tonfall an seiner gleichgültigen Stimme bemerkt. Trotz dessen lächelte der Junge genannt „Visnu“ lediglich. Ein junges Mädchen umarmte ihn, wegen der blutrünstigen Atmosphäre den Tränen nahe.
„Ich bin den ganzen Weg von der Surawelt gekommen für das? Um ein Kind zu sehen?“
Bei jedem Wort, das der Junge sprach, bebten die Wildblumen. Einige von ihnen wehten im Wind davon. Schließlich knurrte er und entblößte seine scharfen Zähne.
„Bitte sprich etwas sanfter zu mir, Tak. Kalavinka hat Angst.“
Der Junge genannt „Tak“ wollte noch mehr sagen, aber als sich sein Gesicht verzog, brach das Mädchen „Kalavinka“ in Tränen aus, was ihn dazu veranlasste, sich zu entspannen. Obwohl er noch immer weit weg von sanftmütig sein war, senkte Tak seine Stimme, als er fortfuhr.
„Natürlich hat sie Angst vor mir.“
„Ja. Es ist in Ordnung solange ihr miteinander auskommt. Es wäre besser wenn du gar keine Gefühle hättest, aber Probleme macht, dass du von allen nur noch Zorn übrig hast. Weißt du, dass sich ständig bei mir beschwert wird? Warum sollten sie mich fragen..."
„Wer beschwert sich?“
„Wie auch immer, komm, Tak. Ich habe etwas geschaffen.“
Während Visnu das sagte, wandte er sich und zog etwas aus seinem Gürtel. Auf seiner blassen rechten Hand lag ein paar roter, runder Ohrringe. Sie schienen nichts wirklich besonderes zu sein, sie sahen aus wie billige Accessoires.
„Diesmal sind es Ohrringe? Wem wirst du diesmal geben, was du geschaffen hast?“
„Dir.“
Nachdem er das gesagt hatte, verstummte Tak und starrte Visnu an. Visnu lächelte nur, als Tak die Ohrringe aus seiner Hand nahm. Tak schien sich nicht sicher, ob ihm Visnus Geschenk gefiel, und fragte Visnu, die kleinen Ohrringe in seiner Hand haltend:
„Sie machen nicht viel her, soll ich sie als Schmuck tragen?“
„Kein einfacher Schmuck, Tak. Wenn du sie trägst, kannst du deine Natur vollständig verbergen und dich als Mensch tarnen.“
„Wirklich? Also kann ich mit ihnen auch in die Städte der Menschen gelangen?“
„Nein. Die Stadtbarrieren wurden von Brahma geschaffen, also kannst du nicht nur mit diesen durch sie hindurch.“
„Dann sind sie Müll.“
Obwohl er sie als Müll bezeichnete, dachte er nicht daran, sie an Visnu zurückzugeben, sondern steckte sie in seine Hosentasche. Visnu grinste breit über diesen Anblick, während Tak der ihn umarmenden Kalavinka einen finsteren Blick zuwarf. Tak starrte Visnu lediglich mit seinen schläfrigen Augen an, dann wandte er sich zum Gehen.
„Wohin gehst du?“
„Überall ist es besser als hier. Zumindest werde ich den Planeten nicht verlassen, also ruf nach mir, wenn du mich brauchst.“
„In Ordnung. Achja, Tak. Das schließt die nicht-fühlende Natur des Drachen-Klans mit ein!“
„Du meinst, dass diese Ohrringe auch meine Persönlichkeit verändern?“
„Unser Tak ist smart!“
Bei dieser mit Spott versehenen Aussage drehte sich Tak wieder herum und ging auf Visnu zu, aber da hatte dieser sich bereits plötzlich auf die Kuppe eines entfernten Hügels versetzt.
„Ich habe dir schon oft gesagt, dass du Zeit-Manipulation nicht benutzen sollst. Du strengst dich unnütz an.“
„Nur so viel ist okay! Wenn du erfahren willst, wie es ist, reiche Emotionen zu haben, leg einfach mal die Ohrringe an!“
Nachdem Visnu Tak überschwänglich gewunken und zugerufen hatte, verschwand er eiligen Schrittes über den Hügel. Tak stand reglos, bis Visnu vollständig außer Sicht war, dann holte er die Ohrringe noch einmal hervor, um sie anzusehen, bevor er sich umdrehte und sie wieder wegsteckte.
„Gefühle sind lästig. Benutzen werde ich diese Dinger bestimmt nicht.“
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Jahr D873, 6. Monat
In der Stadt des Wassers Mistyshore war der Regen zu Beginn der Regenzeit so unablässig, dass die Sonne fast nie zu sehen war. Trotz des anhaltenden Regens schwand die tödliche Hitze nicht, und die Kombination aus Hitze und Feuchtigkeit ließ das Wetter an eine Sauna erinnern. Die Menschen die versuchten, diese unangenehme Situation zu vermeiden, saßen in den Gebäuden fest. Sporadisch erledigten in Regenmäntel gekleidete Leute schnellen Schrittes Botengänge, aber ansonsten waren die Straßen leer.
In einer abgelegenen Seitenstraße ging ein Mädchen schlurfend in der Straßenmitte. Sie trug einen orangen Regenmantel, kümmerte sich aber nicht darum, dass ihre Kapuze zurückgeschoben war, da ihre Kleidung darunter bereits durchweicht war. Das ließ einen wundern, wozu der Regenmantel überhaupt gut war. Regen rann ihr verworrenes Haar hinab auf ihre Schultern. Ihr Haar war von so blass rosaner Farbe, dass man es für weiß halten konnte.
„Haa. Wieder durchgefallen.“
Seufzend sah das Mädchen auf und blickte in den Himmel. Ihr kindliches Gesicht schien etwa vierzehn oder fünfzehn Jahre alt, aber in dieser Welt sollte man bezüglich des Alters nicht allein anhand von Aussehen voreilige Schlüsse ziehen.
Regentropfen fielen auf ihre limonenfarbenen Augen zu und zerstreuten sich an ihren Augenlidern, als sie sie kurz schloss. In ihrer rechten Hand hielt sie ein zerknittertes Papier mit den Worten „Benachrichtigung über Resultate der Zulassungsprüfung“ sichtbar auf der herausragenden Ecke geschrieben.
„Das ist nicht fair. Warum wurde ich nur mit solchen Geburtstags-Attributen geboren? Ich will Magierin werden.“
Das Mädchen setzte ihr Gejammer fort, während sie die Straße hinunter auf einen Müllhaufen zuging. Sie schaute auf die Vorderseite des Papiers, das sie in der Hand hielt, runzelte die Stirn und riss es in Stücke.
„Ugh. Sollte ich aufgeben? Das ist nicht die einzige Akademie hier...“
Sie unterbrach ihren Monolog. Ein regennasses Stück Papier klebte an ihrer Hand. Als wollte es sie ihr deutlich aufzeigen, waren ihre Geburtstags-Attribute darauf geschrieben: Wind – Nil – Nil.
„...“
Für eine Weile verharrte das Mädchen mit gesenktem Kopf, dann riss sie das Papier mit ihrer anderen Hand von ihrer Handfläche. Und während sie es auf dem Müllhaufen entsorgte, murmelte sie mit leicht bebender Stimme.
„Aber ich muss eine Magierin werden. Nur dann...“
Sie schloss ihren Mund und schluckte. Es war schwer zu glauben, dass die Entschlossenheit in ihren kalten Augen die jemandes ihres Alters war.
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„Studentin Ian Rajof. Sie haben eine sehr hohe Göttliche Affinität, aber zwei Nil Attribute für den Monat und den Tag. Wussten Sie nicht, dass eine Person mit Nil Attributen eine sehr hohe Magie-Fehlschlagrate hat? Warum versuchen Sie, mit solchen Attributen auf einer Magie-Schule zugelassen zu werden?“
Während der Zulassungsprüfung zur Magie-Schule fragte dies der Interviewer ein Mädchen – Ian, das ihm gegenübersaß. Ian antwortete daraufhin ohne zu zögern.
„Ich muss eine Magierin werden, um stärker zu sein, stark genug, damit ich den Bösartigen Drachen bestrafen kann.“
Das „Drache“ am Ende verdutzte die Leute im Prüfungsraum. - Meint sie einen Drachen-Half? - Von einem besonders bösartigen Drachen-Half habe ich bisher noch nie gehört.
Während darüber im ganzen Raum hier und da gemurmelt wurde, fuhr der Interviewer mit ein wenig Sarkasmus fort.
„Sie haben große Träume. Natürlich gibt es Wege, einen Drachen-Half zu fangen, aber selbst wenn Sie es mit Ihren Attributen ihr Leben lang versuchen, gibt es keine wirkliche Chance...“
„Es ist kein Drachen-Half.“
Als Ian den Interviewer unterbrach, wurde es rundum still.
„Kein Drachen-Half? Du sprichst doch nicht etwa von einem Nastika?“
Fragte der Interviewer, sich mit einer „Was ist nur mit der los?“-Miene zu Ian vorbeugend. Nastika. Geboren mit dem Anbeginn des Universums, mit ewigen Leben wie die Götter. Ihre Kräfte waren viel stärker als die der Götter, und sie waren Monster groß jenseits jeglicher menschlicher Vorstellungskraft. Selbst berühmte Magier wagten nicht sich vorzustellen, es mit einem Nastika aufzunehmen. Ganz zu schweigen von einem Anfänger beim Eingangsexamen einer Magie-Schule.
Obwohl Ian realisierte, dass sie die Zulassungsprüfung nicht bestehen würde, wollte sie dennoch stolz ihre lange gehegten Ambitionen verkünden.
„Nastika ist richtig. Genauer gesagt ist mein Ziel, den Drachen der Zerstörung ( 滅龍) Taksaka zur Strecke zu bringen.“
Einen Moment herrschte Stille, doch dann brach Gelächter aus. - Hast du das gehört? Es ist Taksaka. - Ist sie verrückt? - Kindern fehlt das Konzept. Puhaha.
Unter all dem Gespött und Gelächter fühlte sich Ian, still auf ihrem Stuhl sitzend, nicht so gut. Der Interviewer, mit den anderen lachend, sprach schließlich zu der ernsten Ian.
„Studentin Ian Rajof. Ich werde Ihnen dies sagen. Taksaka ist bekannt als Top-Level Nastika, dessen Atem allein einen Stern auslöschen kann. Menschen wagen nicht einmal zu denken, sich jenen dieser Kategorie zu nähern. Selbst mit guten Attributen könnten Sie nicht einmal davon träumen, es mit Taksaka aufzunehmen. Das ist kein großer Traum, das ist einfach nur verrückt.“
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„...“
Ian erinnerte sich an die Worte des Interviewers, während sie den Müllhaufen hinter sich ließ und in die Straße die zum Meer führte einbog. Mit dem zunehmend stärker prasselnden Regen verfinsterte sich Ians Miene noch mehr.
„Wenn er so ein großartiger Typ ist, warum holt und frisst er dann Menschen?“
Regenwasser tropfte ihre Stirn hinab.
„Dann, wenn er es nur zum Spaß getan hat, ist er wirklich ein Bastard!“
An einem sonnigen Tag wäre dieser Ort mit Leuten überfüllt gewesen, aber nun, unter dem strömenden Regen, war Ian vollkommen allein. Egal was sie sagte, es war niemand da, um es zu hören. Selbst wenn sie so laut schreien würde wie sie konnte, würden die Fenster der nahen Gebäude fest verschlossen bleiben und sich nicht öffnen.
„Was du dir zum Spaß genommen hast, war alles für mich!“
Es war nicht mehr länger möglich, ihre Tränen vom Regen zu unterscheiden. Ian begann schlurfend, mehr mühsame Schritte die Straße entlang zu tun. Bastard. Bastard. Bastard. Sie wusste nicht, wie oft sie dieses Wort wiederholte. Der Gedanke an Rache hatte sie die ganze Zeit über irgendwie am Leben gehalten, würde sie jetzt aufgeben, könnte sie nicht länger leben. Aber sie konnte wegen ihrer Attribute nicht einmal die Zulassungsprüfung einer Magie-Schule bestehen, ganz zu schweigen davon, ihre Rache bekommen. Ian wandte sich um und schaute aufs Meer. In ihrem Geist überlagerten sich die Gesichter der Leute mit dem Regen. Sollte sie einfach hinein springen und sterben?
Es war dann. Als Ian mit leerem Blick auf das weite Meer starrte, sah sie etwas Merkwürdiges.
„Was...?“
Draußen auf dem Meer, offenbar nahe des Randes der die Stadt schützenden Barriere, befand sich etwas, das wie eine Person aussah. Wegen des strömenden Regens konnte sie es nicht klar sehen, aber es schien so, als würde er sich abmühen. Niemand würde bei diesem Wetter schwimmen gehen, also war er tatsächlich am Ertrinken? Als ihr diese Idee kam, stürzte sich Ian ohne weiteren Gedanken in die See.
Platsch!
Der Regenmantel behinderte sie beim Schwimmen, also riss Ian ihn sich vom Leib. Ohne Zeit rational zu denken, entgang ihr völlig, ob sie die Fähigkeit besaß, so weit aufs Meer zu schwimmen und jemanden zu retten.
Fortsetzung folgt...